pandora scriptor box

respektlos werde ich eine verheerende rede halten zur einführung in rob wirths arbeiten und
wirken. hier breitet sich ja ein fast schon lebenswerk eines mannes aus, der gar nicht mehr
anders kann, als ununterbrochen neue geschichten zu erfinden und zu gestalten, eben kunst
hervorzubringen.
er ist vor allen dingen manischer und genialer zeichner, was sich schon früh gezeigt hat. durch
zeichnungen entstehen erfindungen, ob sie nun auch so real wären oder nicht, interessiert
erstmal nicht. die darstellungen, die figuren, das geschehen verweben, verzahnen, chaotisieren,
ja erdrücken sich gegenseitig. mit den jahren werden die dargestellten ereignisse chaotischer
und unübersichtlicher - nur robert wirth selber weiss ganz genau, wie alles
zusammenspielt, welche assoziationen hier eine rolle spielten: aus seinem leben, aus seiner familie,
dem historischen hintergrund, aus gesehenem, gelesenem, gelebten und geträumten.
wer da mitkommen will muß sich auf eine abenteuerliche reise einlassen, die sich aber lohnt.
was man hier alles erfährt ist so vielgestaltig, daß es unweigerlich im nichts endet, weil
alles alles ist und alles nichts.
in den jahren, jahrzehnten seines schaffens treten zäsuren, einschnitte ein, die robert wirth auch
wieder auf einen jeweiligen teppich bringen: kunstschule in bremen, das berühmte »teater«
in bremen, in berlin werbung bei dorland, lehrer in bremen, dann die schippe des todes, england, der traum vom fliegen, shakespeare, dickens, joyce und einiges habe ich vergessen.
jedes mal kriegt der neue teppich wieder flügel, will fliegen, soll fliegen, kann auch fliegen
und wird immer bunter. der zeichner, der robert wirth immer noch vorwiegend ist, wird zum
maler, zum plastiker, zum erfinder der plastikanten, die jetzt alles zusammen sind und doch
nichts waren.
reih-um-bilder, räumlichkeit aus raum mit pinsel, stift und farbe so einfach und doch so viel.
er selbst schreibt:

»wenn der gegenstand aufhört seinen zweck zu erfüllen, wenn er sich aus
diesem joch befreit und nur noch charakter hat, linie in alle himmelsrichtungen, die sich auf
den weg zur sinnlichen wahrnehmung des betrachters macht, gibt er mehr über sich preis, als
die schulweisheit es sich träumen lässt«.

dann wieder der einschnitt, zurück auf den teppich der bewussten ernährung um der allgemeinen
blödheit zum verfetten entgegen zu wirken, sowas führt bei robert wirth dann auch zur
erfindung der fruiteneers, küchenassemblagen, die dann durch herausarbeiten seiner assoziationen
durch bemalung uns schlichter gestrickten zeitgenossen durchlässiger werden: ein abenteuer auf grossleinwand. und dann werden im garten efeuumschlungene bäume gefällt - jetzt entstehen die
figurine des twig collectors robert wirth.

HA!

das ist das neueste - das sind arbeiten, die sind kaum getrocknet, da sind sie schon in der ausstellung.

mir liegt es fern, robert wirths prima teile, ich will hier jetzt nicht von werken sprechen, in schubladen
zu packen; kunstgeschichtlich einsortieren mögen andere geister versuchen. rob wirth selbst bemüht
immer mal bezugspunkte in die kunstgeschichte. das finde ich müßig, wir wollen die
dinge nehmen wie sie sind und die echte eigenstänigkeit der teile erleben, jetzt, hier, auf der höhe
der zeit der aktuellen kunstdarbietung in eigentlich dafür nicht gemeinten räumen, sporadisch
improvisierend, nutzung von lücken im system: das ist makeshift, das erleben wir international zur
zeit verstärkt in der galerieszene.

und wir fragen jetzt auch nicht danach, was dann kommt.
was kommt, das kommt. was nicht kommt kommt nicht. wenn was kommt, machen wir was
draus, das ist makeshift galerie.

robert wirth kann uns die sinne verwirren und er wird behaupten, daß er uns bewußtsein schafft.
robert wirth ist darin häufig nicht zu bremsen. er wird fragen beantworten, die wir gar nicht gestellt
haben. er wird zusammenhänge aufzeigen, die sich selbst so nicht vermutet haben. er
wird fäden, die er gezeichnet hat, weiter spinnen in uns, um uns - am ende werden wir nicht
wissen, wer oder was ist jetzt fadenscheinig. wir blicken durch die leinwand, durch die fäden
in ein komplexes universum der figuren, der gedanken, der träume, der wünsche, der existenz
eines unaufhaltsamen genialen robert wirth.

dirk schmidt